Die drei Gesichter Gottes

Was ist Gott? Ein "höheres Wesen", eine Idee oder eine Person, zu der man beten kann? Für den Juden Martin Buber war immer klar, dass er unter Gott keine abstrakte Idee verstand, sondern ein lebendiges, personhaftes Gegenüber, das zu Menschen in eine unmittelbare Beziehung tritt. In einem späteren Nachwort zu seinem berühmten Buch "Ich und Du" gibt Buber jedoch zu bedenken, dass man nicht exklusiv sagen könne, Gott sei nur Person. Vielmehr sei es erlaubt und nötig zu sagen: Gott sei auch Person. Was aber ist Gott dann noch? Buber nennt drei Möglichkeiten, wie das Wesen Gottes von Menschen erfahren wird:

Gott ist erstens erfahrbar als „Naturhaftigkeit“, die sich in allem darstellt, was uns als Natur bekannt ist. Zweitens begegnet Gott als „Personhaftigkeit“, von der alles menschliche Personsein abstammt. Drittens erfährt man Gott als „Geisthaftigkeit“, in der alles seinen Ursprung hat, was wir Geist nennen.

Bubers Gedanken wirken wie eine frühe jüdische Spur zu dem Konzept von den Drei Gesichtern Gottes, das der Philosoph Ken Wilber 2006 in seinem Buch „Integrale Spiritualität“ vorgestellt hat. Dieser Ansatz hat uns fasziniert, weil er personale und apersonale Gotteserfahrungen nicht mehr gegeneinander ausspielt. Außerdem drückt sich darin eine neue Wertschätzung der integralen Bewegung für die westlichen monotheistischen Religionen aus. In früheren Veröffentlichungen war dort unter „Spiritualität“ vor allem buddhistische oder hinduistische Praxis verstanden worden. Seit einigen Jahren aber lehren an Wilbers Integral Institute in Boulder, Colorado, auch jüdische Gelehrte wie Michael Lerner und Zalman Schachter-Shalomi, sowie christliche Kontemplative wie Thomas Keating, David Steindl-Rast und Richard Rohr.

Das „3-2-1-Gottes“-Modell hat großes Potential, die vielfältigen Gotteserfahrungen der großen Weltreligionen auf eine nonduale Weise zusammenzuhalten. Gleichzeitig kann dieses Modell Menschen in allen Religionen helfen, ihre eigenen Gotteserfahrungen besser einzuordnen. Alle drei Gesichter Gottes können auf allen Stufen erfahren werden, und für alle liegen mystische Zeugnisse in beeindruckender Zahl vor.